Mit dem Fiets fahren, das macht Spaß!

Der Sommer ist zwar endgültig vorbei, aber hier folgt noch ein kleiner Bericht aus glücklichen Fahrradtagen:

Diesen Satz aus der Überschrift, den vor vielen Jahren mal eine Holländerin zu mir sagte – Fiets bedeutet Fahrrad auf Niederländisch – habe ich immer im Ohr, wenn ich mit dem Fahrrad aufbreche. So auch im Sommer, als ich, wie immer, mein Fahrrad mit Zelt, Kocher und Schlafsack belud, um in die Ferien aufzubrechen. Wegen Corona hatte ich meine Pläne geändert und mich dazu entschieden, von Oberhausen aus mit dem RE nach Arnheim zu fahren, um von dort zu einer Radreise durch die Niederlande nach Vechta loszufahren. Erste Überraschung, als ich am Sonntagmorgen gegen 6.40 Uhr am Bahnhof ankam: Der Zug war nicht angezeigt! Schienenersatzverkehr… Das konnte ja heiter werden mit dem bepackten Rad. Deswegen entschied ich mich kurzerhand, statt nach Arnheim, mit dem Zug nach Venlo zu fahren. An sich war es ja egal, wo ich losfuhr – Hauptsache Fahrrad fahren in den Niederlanden, dem Paradies für Fahrradfahrer! Denn das ganze Land ist überzogen mit einem Netz aus Radwegen, es gibt verschiedene Radrouten, die durch das ganze Land führen, ein sehr gutes Leitsystem, so dass man den ganzen Tag nach Zahlen fahren kann, und an jeder Ecke einen Campingplatz, so dass man sich wirklich keine Gedanken darüber machen muss, wo man übernachten kann. Anstelle von Bergen gibt es, wenn es nicht so gut läuft, den Bergsimulator, also Gegenwind. Was ich bei meinen Planungen allerdings nicht so richtig bedacht hatte: Es gibt auch jede Menge Wasser in Holland, also jede Menge Fähren. Das führte dazu, dass ich meine Route jeden Abend neu plante, weil mal diese Fähre nicht fuhr und mal jene Fähre. Am Ende hatte ich in elf Tagen auf dem Rad sieben Fährfahrten absolviert – man könnte meinen, ich hätte eine Seereise gemacht. Daneben verbrachte ich wirklich tolle Tage auf dem Rad, der Wind war mir meistens hold, der Regen verschonte mich in der Regel, jeden Tag lockte ein Bäcker am Wegesrand mit Rosinenbrötchen und frischem Kaffee, die Brombeerbüsche trugen reichlich Früchte und ich begegnete vielen sehr netten Menschen. Da ich inzwischen etwas Niederländisch gelernt habe, konnte ich einfache Gespräche in der Landessprache führen und freute mich daher, dass die Menschen so freundlich sind. Wo in Deutschland über einen geredet wird – nach dem Motto: Guck mal, da ist ja ein Pinguin! – kommen die Niederländer direkt auf einen zu: „Ach, ich hab gesehen, dass da eine Nonne sitzt. Wie schön! Können wir ein Foto zusammen machen? Wohin sind Sie denn unterwegs?“ Verschiedene Gespräche ergaben sich auch auf den Campingplätzen und einen halben Tag lang fuhr ich mit Toine (Kurzform von Antoine) zusammen, einem Niederländer, der eine große Runde rund um die Niederlande radelte. Gegen Ende meiner Tour besuchte ich Sr. Regina vom BMV in Essen, die mit ihren Eltern Urlaub in der Krummhörn in Ostfriesland machte und P. Stefan Maria von den Kapuzinern, der auf Baltrum als Urlauberseelsorger war und mich zu sich einlud. Meine letzte Nacht unterwegs verbrachte ich dann im Schatten der evangelischen Kirche in Mittegroßefehn, weil der nächste Campingplatz zu weit weg war. Da ein Friedhof direkt neben der Kirche lag, hatte ich quasi fließend Wasser am Zelt. Das war wirklich eine tolle Radreise!

Zu einem etwas anderen Abenteuer brach ich dann am 22. August auf: den Sommer über fand ein besonderes Radrennen statt. Wegen Corona gab es in jedem Bundesland einen bestimmten Parcour, den man fahren konnte, wann man wollte. Man musste nur alles mit dem Fahrradcomputer aufzeichnen und hinterher an die Organisatoren schicken. Weil Bremen in der Nähe von Vechta liegt und fast keine Berge aufzuweisen hat, entschied ich mich für den Parcour von Bremen. Der war allerdings 320 Kilometer lang und führte mich bis an die Nordsee. Zwischendurch ging es über Wiesen und durch Wälder, einmal unter einem Stacheldrahtzaun durch, über Wege, die eigentlich nicht zu erkennen waren, über die Strandpromenade des Butjadinger Lands, mit der Fähre über die Weser und zum Niedersachsenstein in Worpswede, den ich allerdings gar nicht richtig erkannte, weil es schon dunkel war, als ich dort ankam. Start und Ziel der Runde waren Bremen und es war ein tolles Gefühl, als ich nach 20 Stunden und 45 Minuten die 321 Kilometer gefahren war und wieder auf dem Rathausplatz in Bremen eintraf. Mit dieser Zeit war ich zwar nicht die Schnellste, aber auch nicht die Langsamste und sogar schneller als manche Männer. Außerdem war ich vorher noch nie 320 km am Stück gefahren, noch dazu über Wege, die manchmal gar nicht zu erkennen waren. Eine etwas verrückte Erfahrung, aber gleichzeitig hat sie mir auch einige Denkstöße gegeben: Dieses Radrennen wurde von zwei Fahrradbegeisterten und einigen Helfern organisiert. Es gibt Regeln, an die man sich halten muss, wenn man mitfahren möchte – z.B. durfte man nur alleine fahren oder musste sich komplett selber versorgen. Aber innerhalb der Regeln ist alles möglich und willkommen. Es spielt keine Rolle, mit welchem Rad oder welchem Reifen man fährt. Es ist nicht wichtig, ob man wahnsinnig sportlich ist oder das Ganze aus Spaß mitmacht. Man kann auswählen, ob man eine Runde fährt oder alle 16 Runden in Deutschland. Wann immer ich an Raphael, einen der Organisatoren, eine Nachricht geschrieben habe, habe ich eine freundliche Antwort bekommen. Und auch in der Facebookgruppe gab es große Unterstützung und viel Wohlwollen. Auch wenn sich die meisten nur virtuell kennengelernt haben, habe ich hier eine große Offenheit, viel Wohlwollen und Unterstützung erlebt. Es ist klar: alle hier lieben das Fahrradfahren, aber dabei darf jeder so sein, wie er ist. Das wünsche ich mir auch für die Kirche. Hier wie da gibt es Regeln, aber innerhalb der Regeln sind alle herzlich willkommen und dürfen ihren Stil ausleben, weil uns alle etwas miteinander verbindet. Und ob man dann die 320 km in 20 oder 15 Stunden fährt, ist nicht so wichtig. Hauptsache, man fährt und hat Freude. Würde das nicht für uns bedeuten, dass es nicht so wichtig ist, wie man seinen Glauben lebt, Hauptsache, man ist erfüllt vom Heiligen Geist und will mit Jesus Christus unterwegs sein?

Ich bleibe also dran und schaue mal, was ich noch so fahren könnte, um weitere inspirierende Gedanken zu bekommen.

Sr. Kerstin-Marie