Sonne, Wind und Regen

Inzwischen bin ich schon seit fast einem Monat zu Hause, aber die wunderbaren Erlebnisse meiner langen Ferien sind noch ganz präsent. Zum ersten Mal hatte ich in diesem Jahr quasi alles auf eine Karte gesetzt und für den Sommer 26 Tage Ferien eingeplant. Den größten Teil davon verbrachte ich auf meinem Fahrrad und in meinem Zelt und es war eine tolle Erfahrung. 

Mit dem Zug ging es dafür zuerst nach Holstebro in Dänemark, von wo aus ich in Richtung Nordseeküstenradweg startete. Schon die erste Nacht war ein Erlebnis, da ich, nach den ersten 30 Kilometern schon einmal komplett nassgeregnet, auf einem Shelterplatz übernachtete. Hier gab es drei Holzhütten, zwei Sitzgruppen, eine Feuerstelle, einen Wasserhahn sowie jede Menge Vögel. Andere Menschen waren nicht in Sicht und man musste sich auch nirgendwo anmelden oder etwas bezahlen. Eine spannende Erfahrung, vor allem, als sich am Abend die vielen Vögel auf dem Dach das Holzhäuschens niederließen, dass ich mir ausgesucht hatte, und ich im ersten Augenblick die Geräusche der Vogelfüßchen gar nicht zuordnen konnte. Spannend war auch die Erfahrung, sich mal wieder nur an einem Wasserhahn zu waschen, ganz ohne Waschbecken, Spiegel, Ablage usw. Als Mitteleuropäerin hatte ich das schon ziemlich lange nicht mehr gemacht. 
So war die erste Nacht ein guter Auftakt für eine tolle Reise, während derer ich ungefähr 1400 km mit dem Rad unterwegs war. Gott sei Dank ohne einmal einen Servicekasten wie diesen auf dem Bild aufsuchen zu müssen. Stattdessen traf ich viele nette Menschen. In St. Peter-Ording freute sich eine Frau auf der Straße so sehr, in der Diaspora mal wieder eine Ordensfrau zu sehen. Auf dem Campingplatz in Kollmar kam eine ganze Community von Radwanderern zusammen und wir fachsimpelten über Radwege, Rückenwind und Ausrüstung. Auf dem Weg nach Hamburg fuhr ich ca. 30 km lang gemeinsam mit Pete aus Kanada, der durch fast ganz Europa geradelt war und nun langsam den Heimweg antrat, nicht ohne vorher seine Tante in Celle zu besuchen. In Stade lud mich eine Frau ein, auf dem Rückweg bei ihr in Hamburg im Gästezimmer zu übernachten, im Alten Land schenkte mir eine Obstverkäuferin Kirschen und in Berne an der Weser teilten Vater und Sohn ihre Streckenerlebnisse mit mir. An einem Tag fuhr ich 143 km - mein persönlicher Streckenrekord an einem Tag - und auf dem Weg nach Cuxhaven dachte ich, der Gegenwind würde mich zurück nach Hamburg pusten. Manchmal war ich so nass, dass ich jedes Kleidungsstück hätte auswringen können und an anderen Tagen fing ich mir einen Sonnenbrand ein. Während der heißen Woche im Juli konnte ich Schatten bei den Mitbrüdern in Vechta finden und an anderen Abenden kochte ich mir im Zelt am Abend einen warmen Tee und kroch so tief in den Schlafsack, wie es nur ging. 

Ich überquerte die Grenze von Dänemark nach Deutschland und merkte es nur an den anderen Straßenschildern, aß in vielen verschiedenen Bäckereien Rosinenbrötchen, und freute mich an der Weite der Landschaft und an Ortsnamen wie Dagebüll, Klanxbüll, Niebüll oder Harlesiel, Carolinensiel, Bensersiel. 

Ich konnte mich jeden Tag neu entscheiden, wo ich langfahren und wann ich Pause machen wollte, war ganz frei und fühlte mich doch nie allein. Ach, es war einfach eine herrliche Zeit, und als ich am 5. August in Borkum auf die Fähre stieg, um nach vier Wochen zum ersten Mal wieder mit dem Zug zu fahren, war ich doch ein bisschen wehmütig. Auch wenn ich am Ende sagen kann, dass mir Gegenwind keine Angst mehr macht und ich weiß, dass man - oder zumindest ich - einfach nass wird, wenn es regnet. 

Die Tour hat so viel Freude gemacht, dass ich davon noch lange zehren werde und gleichzeitig schon wieder überlege, wann und wohin es wieder aufs Rad geht. Für mich die tollste Art, Ferien zu machen.

Sr. Kerstin-Marie