Unbefleckte Empfängnis - Wer es erfassen kann, der erfasse es

Die Erscheinungsgrotte in Lourdes, wo sich Maria 1858 als die "Unbefleckte Empfängnis" offenbart haben soll.
Die Erscheinungsgrotte in Lourdes, wo sich Maria 1858 als die "Unbefleckte Empfängnis" offenbart haben soll.

Maria, die Muttergottes, ist für mein Glaubensleben existentiell wichtig. Ich verehre sie, nicht nur, weil sie ein vorbildhaftes Glaubensleben und ein tiefes Vertrauen auf Gott gelebt hat, sondern in erster Linie, weil sie meinem und unserem Herrn, Jesus Christus, das Leben geschenkt hat.

Und weil sie das Urbild der Kirche, das Idealbild des erlösten Menschen ist, vertraue ich ihr gerne meine Anliegen an.

Und da Jesus sie uns durch die Gestalt des Lieblingsjüngers Johannes anvertraut hat, sehe ich in ihr tatsächlich auch meine Mutter.

Ja, eigentlich scheint alles so logisch, so einfach, so schön.

 

Doch dann stolpere ich im Advent immer über dieses sperrige "Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria".

 

Wenn ich das hier so schreibe, plagt mich schon ein schlechtes Gewissen, weil die Unbefleckte Empfängnis zu den unwiderruflichen Dogmen gehört, zu denen jeder Katholik verpflichtet ist, sie zu glauben. Wobei das eigentlich nicht mein Problem ist. Ich glaube, dass Maria ohne Erbsünde empfangen wurde und Gott sie von Anfang an geheiligt und auserwählt hat. Es ist etwas anderes, das ich nicht verstehe, und ich tröste mich damit, dass es wohl dominikanische Tradition sein muss, seine Schwierigkeiten mit der Unbefleckten Empfängnis zu haben ;-)

 

[Thomas von Aquin etwa sah in der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis, die vor allem durch den Franziskaner Johannes Duns Scotus gefördert wurde, eine Herabstufung der Göttlichkeit Christi. Thomas glaubte zwar an eine Heiligung Mariens, nicht aber an ihre Sündenfreiheit, denn sonst wäre sie nicht erlösungsbedürftig gewesen. Die Befreiung von der Erbsünde aber konnte erst nach dem Erlösertod Christi geschehen. Er schreibt: "So hätte sich die allerseligste Jungfrau niemals die Makel der Erbsünde zugezogen, wenn sie auf irgendeine Weise vor ihrer Beseelung geheiligt worden wäre. Dann aber hätte sie auch nicht der Erlösung und des Heils durch Christus bedurft." (STh III, Q.27, Art.2)]

 

Was ich nicht verstehe ist, dass dieses Fest nicht der göttlichen Logik entspricht, dass Gott gerade das sündhafte erwählt (z.B. Berufung des Zöllner Matthäus), mit den Schwachen und Unfähigen arbeitet (z.B. Mose, der Stotterer) und sich ihnen offenbart (Mt 11,25), sich nicht zu schade ist in einem Stall/einer Krippe zur Welt zu kommen und sich in Jesus ständig von Sündern umgeben lässt, sogar "Freund der Zöllner und Sünder" (Lk, 7,34) genannt wird.

Scholastisch gesprochen wäre die Lösung dieses Problems wohl so: Es war nicht notwendig Maria von der Erbsünde zu befreien, aber angemessen. So ist auch die Begründung in der Bulle Ineffabilis Deus, die das Dogma 1854 verkündete: "Und es war auch ganz entsprechend, dass sie stets im Glanze vollkommenster Heiligkeit strahlte, dass sie sogar frei blieb von der Makel der Erbsünde" (3).

 

Für meine Begriffe eine etwas "platte" Begrünung - "es war angemessen" - , aber da kann ich schon mitgehen. Es widerspricht zwar immer noch ein wenig dem, was sich in der Heilsgeschichte offenbart hat, nämlich, dass Gott es nicht nötig hat, auf sündenfreie Menschen zu setzen, aber ich gebe zu, wenn der Sohn Gottes schon in die Welt kommt, ist er es wert einem Menschen anvertraut zu werden, der ihn ohne jegliche Bosheit im Herzen liebt und umsorgt.

 

Das zweite Problem, vor dem ich an diesem Fest stehe, ist die Frage nach der Freiheit.

Wenn Maria nicht von der Erbsünde betroffen war, d.h. nicht ins Böse verstrickt war, dann ist es ja vollkommen klar, dass sie den Willen Gottes erfüllen konnte. Eigentlich hat sie dann - salopp gesagt - nichts Großes vollbracht; sie konnte ja nicht anders als immer nur der Gegenwart Gottes Raum zu geben, mit ihm in Beziehung zu sein.

Ich frage mich, ob es nicht ein viel stärkeres Zeichen gewesen wäre, wenn eine ganz "normale" Frau es geschafft hätte, Gott so viel Raum zu geben, dass der Erlöser durch sie zur Welt kommen konnte?!

Aber vielleicht ist es auch so, dass die Befreiung von der Erbsünde erst wahre Freiheit ermöglicht, weil wir eben nicht von niederen Gedanken, vom Bösen getrieben sind, sondern, wie in Genesis steht Gut und Böse zu unterscheiden wissen. Erst, wenn Gut und Böse klar erkannt werden können, ist eine wirklich freie Entscheidung möglich.

 

Also ein bisschen unklar ist mir der Sinngehalt dieses Festes noch immer, wobei ich es aufs erste dabei belassen kann, dass die Heilsgeschichte, ja Gott selber, immer ein Stück unbegreiflich bleiben wird. Was mich an diesem Fest wiederum freut, ist die Zusage, dass wir alle einmal wie Maria von aller Verstrickung in das Böse befreit sein werden. Das heiligmäßige Leben der Gottesmutter ist nicht deswegen heilig, weil sie so toll und fromm war, sondern weil Gott an ihr Großes getan hat. 

Vielleicht geht es bei dem Fest auch gar so sehr um Spekulationen und "Was wäre wenn"-Fragen, sondern um das Ausstrecken nach dem wahren, heilen Menschsein.

Gott wirkte es an Maria. Gott wird es an uns wirken.

 

Und ich hoffe für mich persönlich, dass ich eines Tages dieses Hochfest, von dem ich glaube, dass es seine Richtigkeit hat - diesen Vertrauensvorschuss schenke ich der Kirche -, mit ganzem Herzen feiern kann; Ich hoffe, dass Gott es mir schenkt, dass ich den Sinngehalt des Festes irgendwann verstehe - nicht im Kopf, sondern im Herz; Und ich hoffe, dass Gott mir vergibt, falls ich hier allzu häretisch geworden bin.

 

 

Sr. M. Clarita

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Br. Wilhelm Germann (Samstag, 09 Dezember 2023 17:37)

    Liebe Schwester M. Clarita,
    Dir herzlichen Dank für Deine Gedanken. Es freut mich sehr, wie Du Dich um den Inhalt des Festes auseinandersetzt.
    Ich werde demnächst meine Gedanken einbringen.
    Mit herzlichen Grüßen und Segen in diese heilige Zeit.
    Br. Wilhelm.