Junioratsschulung in Schwarzenberg

Vom 25. bis 28. September 2025 fand die diesjährige Junioratsschulung im idyllisch gelegenen Bildungshaus in Schwarzenberg statt. Insgesamt nahmen 14 Juniorinnen aus verschiedenen Gemeinschaften daran teil. Das selbstgewählte Thema lautete: „Geistlicher und spiritueller Missbrauch“ – ein tiefgehendes, herausforderndes und zugleich notwendiges Thema, das uns alle auf ganz persönliche Weise berührt hat.

 

Ankommen – Begegnen – Lachen

Nach dem gemeinsamen Kaffeetrinken am Donnerstagnachmittag begannen wir mit einer Vorstellungsrunde, in der sowohl neue als auch vertraute Gesichter zusammenkamen. Viele kannten sich bereits von früheren Treffen. In einer lebendigen und heiteren Kennenlernrunde teilten wir persönliche, skurrile oder witzige Erlebnisse aus unserem Klosteralltag – das führte zu viel Gelächter und schuf von Anfang an eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre. In Partnerarbeit erzählte jede Schwester eine amüsante oder kuriose Begebenheit aus ihrem Ordensleben. Anschließend stellte die jeweils andere diese Geschichte im Plenum vor – mit viel Charme und Humor.

Im Laufe des Nachmittags und abends trafen auch die noch fehlenden Teilnehmerinnen sowie unsere Referentin Juliana Osterholz ein. Beim gemeinsamen Abendessen kam es zu angeregten Gesprächen. Der restliche Abend stand zur freien Verfügung und wurde intensiv für persönlichen Austausch und gemütliches Beisammensein genutzt.

 

Thematischer Einstieg – persönlich und tiefgründig

Der Freitag begann mit der Laudes und einer Eucharistiefeier mit der Hausgemeinschaft. Nach dem Frühstück begannen wir mit dem inhaltlichen Teil der Tagung. Zunächst wurde jede eingeladen, sich ganz persönlich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:

·       Warum interessiert mich dieses Thema?

·       Was bewegt mich daran?

·       Was finde ich daran besonders wichtig?

Daraufhin legten wir gemeinsam unseren thematischen Weg fest. Die inhaltlichen Schwerpunkte lauteten:

·       Ankommen – im Raum, in der Gruppe, im Thema

·       Begriffsklärung: Was ist geistlicher oder spiritueller Missbrauch?

·       Schutzfaktoren – für uns als potenzielle Täterinnen, Komplizinnen oder Betroffene

·       Offenlegung (Disclosure)

·       Aufarbeitung innerhalb einer Gemeinschaft

·       Spirituelle Selbstbestimmung und Ausblick

 

In der ersten thematischen Einheit führten wir unsere Vorstellungsrunde vertiefend fort und tauschten uns offen über folgende Fragen aus:
War das Thema Teil meiner Ordensausbildung? Wird geistlicher Missbrauch in meiner Gemeinschaft sensibel wahrgenommen? Gibt es Schutzmechanismen? Und: Habe ich selbst schon Erfahrungen damit gemacht oder kenne ich Betroffene?

Eine traurige, aber zentrale Erkenntnis aus dieser Runde war für mich: Jede von uns kennt mindestens eine Person, die von geistlichem oder spirituellem Missbrauch betroffen ist oder war. Dieses Bewusstsein legte den Grundstein für unsere gemeinsame Auseinandersetzung – achtsam, ehrlich und getragen von Vertrauen.

 

Begriffsklärung und Schutzfaktoren – in Begegnung und Bewegung

In Partnerarbeit setzten wir uns mit unterschiedlichen Definitionen von geistlichem und spirituellem Missbrauch auseinander. Jede Zweiergruppe analysierte die jeweiligen Merkmale und Nuancen, verglich und diskutierte. Die gesammelten Erkenntnisse führten wir im Plenum zusammen – es entstand ein facettenreiches Bild.

 

Am Nachmittag beschäftigten wir uns mit zwei zentralen Fragen:

·       Wie kann ich durch bewusste Haltung und Handeln verhindern, dass ich selbst spirituellen Missbrauch ausübe?

·       Was tue ich, wenn mir jemand anvertraut, dass er oder sie davon betroffen ist?

 

Besonders eindrucksvoll war, dass wir das Thema stets von uns selbst ausgehend betrachteten. Nicht theoretisch, sondern existenziell und persönlich in ICH-Form: Was hat das mit mir zu tun? Bin ich betroffen – als Täterin, als Komplizin, als Opfer oder als Beistand?

 

Prävention und Selbstbestimmung

Auch der Samstag begann mit Laudes, Heiliger Messe und anschließendem Frühstück. Im Mittelpunkt dieses Tages stand das Thema Prävention – sowohl individuell als auch gemeinschaftlich.

 

Wie kann ich mich selbst schützen – geistlich, emotional, strukturell? Welche Verantwortung trägt eine Ordensgemeinschaft? Wie können Aufarbeitung und Neuausrichtung gelingen? Ein neuer, wichtiger Aspekt war die Frage nach den notwendigen Ressourcen: Was brauche ich – innerlich und äußerlich – um solche Prozesse zu tragen? Was muss eine Gemeinschaft investieren, wenn sie ehrlich aufarbeiten will? Und was braucht es zugleich an Kraft für den Alltag, für das Leben jenseits der Aufarbeitung?

 

In der letzten thematischen Einheit widmeten wir uns dem Thema spirituelle Selbstbestimmung. Was ist dafür grundlegend? Welche inneren und äußeren Freiheiten brauche ich? Was stärkt mich darin, meinen eigenen geistlichen Weg zu gehen?

Zum Abschluss dieses Tages versuchten wir, eine Körperhaltung oder Geste zu finden, die unseren inneren Prozess ausdrückt. Es war ein stiller, sehr berührender Moment, die Schwestern in ihren gewählten Posen zu sehen und die dazugehörigen Erklärungen zu hören. Jede hatte ihren persönlichen Ausdruck gefunden.

 

Film, Austausch und spiritueller Ausklang

Nach dem Mittagessen und einer kurzen Pause sahen wir gemeinsam den bewegenden Film „Gotteskinder“ (2025). Der Film erzählt die Geschichte der Geschwister Hannah und Timotheus, die in einer streng evangelikalen Freikirche aufwachsen – mit drastischen Folgen für ihre persönliche und spirituelle Entwicklung.

Die bedrückende Darstellung innerfamiliärer Zwänge, fragwürdiger Gottesbilder und rigider religiöser Regeln hat uns alle tief erschüttert. In einem anschließenden Spaziergang zum Schloss Schwarzenberg konnten wir gemeinsam das Gesehene nachklingen lassen und uns etwas von den emotionalen Eindrücken befreien.

Am Abend feierten wir gemeinsam die Vesper und ließen den Tag ausklingen. Am Abend stießen wir in froher Runde auf den heiligen Vinzenz von Paul an – ein Moment des Dankes und der Freude.

 

Abschied und Ausblick

Der Sonntagmorgen begann mit einem gemütlichen Frühstück, gefolgt von der Heiligen Messe um 9 Uhr. Im Anschluss kamen wir noch einmal zu einer abschließenden Reflexionsrunde zusammen.
Was nehme ich mit? Wie reise ich ab – innerlich? Was wünsche ich mir für die nächste Tagung? Diese Fragen standen im Zentrum unseres letzten Austauschs.

 

Nach dem gemeinsamen Mittagessen machten wir uns gestärkt, innerlich und äußerlich, auf den Heimweg.

 

Ich bin meiner Gemeinschaft und auch der Gruppe von Herzen dankbar, dass ich zum ersten Mal an dieser Tagung teilnehmen durfte. Es war eine intensive, bereichernde und heilende Erfahrung – und ich freue mich schon jetzt auf unser nächstes Treffen im kommenden Jahr.

– Schwester M. Gloria OP