Bis in die Hölle dringst du vor

Diese Worte singen wir im Advent jeden Abend im Hymnus der Vesper. Die gesamte Strophe lautet:

 

"Von deinem Vater gehst du aus,

gehst siegreich wieder zu ihm ein;

bis in die Hölle dringst du vor

und kehrst zu Gottes Thron zurück."

 

Es ist der tiefe Abstieg und dann der glorreiche Aufstieg Jesu festhalten, die Höhe und die Tiefe. Jemand sagte einmal: Die Karriereleiter Jesu ging steil nach unten. Und so ist dieser etwas beängstigend klingende Satz für mich dieses Jahr besonders prägnant geworden.

 

Die Hölle, das ist die reinste Gottverlassenheit und Gottesferne. Und wenn es heißt, dass Jesus in die Hölle vordringt, wird verkündet: Jesus geht in die äußerste Gottverlassenheit. "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mk 15,34) "Abba, Vater, nimm diesen Kelch von mir!" (Mk 14,36) "Da weinte Jesus." (Joh 11,35) "Da ergriff ihn Furcht und Angst." (Mk 14,34).

Es sind alles Stellen im Evangelium, die von tiefer Trauer, Angst oder Einsamkeit sprechen.

Das bedeutet für mich zweierlei:

Erstens, es gibt keinen Ort, keinen Zustand, an dem Jesus uns nicht nahe ist, weil er eben ganz Mensch geworden ist und selbst die Hölle, die Gottverlassenheit kennt.

Zweitens, es gibt keinen Zustand und kein Ort, an dem Gott nicht ist. Ja, selbst in der Hölle lässt er sich finden, weil Jesus dort war. So schreibt z.B. Alfred Delp in der Hölle des Gefängnis Plötzensees: "Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen."

 

Es gibt keinen unüberwindbaren Graben zwischen Gott und Mensch, weil Jesus bis in die Hölle vorgedrungen ist. Dieses Geheimnis der Menschwerdung feiern wir an Weihnachten, das uns zeigt: "Dilexit nos" - Er hat uns geliebt (Röm 8,37)

 

Sr. M. Clarita

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Kommentare: 4
  • #1

    Regina (Donnerstag, 12 Dezember 2024 16:45)

    Gottverlassenheit und Gottferne in dieser Weise mit Hölle gleichzusetzen, halte ich für theologisch, pastoral, menschlich für sehr problematisch.

  • #2

    Isabel (Freitag, 13 Dezember 2024 13:05)

    Nach der Lehre der Katholischen Kirche ist Gott in der Hölle eben nicht vorhanden, weil es per Definition ein Ort ist, wo Gott nicht ist, denn es kommen diejenigen dahin, die sich gegen Gott entscheiden. (siehe Katechismus der Katholischen Kirche §1033-1037.)

    Da, wo Jesus vor Seiner Auferstehung herabsteigt, ist da, wo gerechte Seelen auf den Retter gewartet haben. Es war zwar auch Hölle, aber eher "Vorhölle" (S.Th. III Q.52 Art. 2), und die Erfahrung der Gerechten, die auf Befreiung mit dem Sieg über den Tod warteten, war nicht die gleiche, wie derjenigen, die sich von Gott abgekehrt haben (und Jesu Gegenwart dementsprechend auch nicht genossen haben.)

  • #3

    3:1 (Freitag, 13 Dezember 2024 19:57)

    Ich könnte mir vorstellen, es ist menschenverlassen gemeint. GOTT-verlassenen gibt es nicht.

  • #4

    Miriam (Sonntag, 15 Dezember 2024 12:03)

    Ein großartiger, bewegender und so wahrer Text! DANKE!