In meinem Kopf erklingt dieser lebhafte Ausspruch, und ich kann ein unwillkürliches Lächeln nicht unterdrücken. Ich höre die mitreißenden
Stadiongesänge: „Schwules Bakum!“ Wie habe ich diese Erinnerungen vermisst! Es sind nicht Bakum und nicht das Schwulsein an sich, sondern die turbulenten Revierkämpfe in der Schule, geprägt von
absurden Aussprüchen und kindlicher Animosität.
Mein zweites, bereicherndes Noviziatspraktikum ist nun beendet. Ich verbrachte vier spannende Wochen in Vechta. Die interessierten Blogleser:innen kennen bereits Schwester M. Claritas Bericht und
wissen, wie sich der Alltag vor Ort gestaltet. Deshalb werde ich hier persönlich und weniger systemisch berichten.
Oft hatte ich den eindringlichen Eindruck, dass sich in meinem Praktikum zwei kontrastierende Wirklichkeiten diametral gegenüberstehen: die vertraute Welt, aus der ich komme, und die neue Welt,
in die ich eintauche.
Von einem großen, lebendigen Konvent mit über 40 Schwestern zu einem kleinen, intimen Dreierkonvent, und von einem äußerlich strukturierten Alltag zu einem flexibleren Alltag, der sich den
dynamischen Gegebenheiten der Schule anpassen muss.
Ähnlich erlebte ich die unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort:
zwischen städtischen Formaten und ländlichen, begrenzten Ressourcen, der primären Unterstützung am Kolleg Sankt Thomas und den wöchentlichen Besuchen in den Seniorenheimen Sankt Hedwig und Haus
Theresa, und nicht zuletzt dem Wetter. Zu Beginn genoss ich einen herrlichen Spätsommer, während gegen Ende Handschuhe, Schal und Mütze beim Radfahren getragen werden mussten.
Im Kolleg Sankt Thomas hatte ich die Möglichkeit, lebendigen Unterricht in vielen Fächern
(Religion, Musik, Erdkunde, Spanisch, Mathematik, Schwimmen, Deutsch) zu besuchen und bei zahlreichen engagierten Kolleginnen und Kollegen zu hospitieren. Darüber hinaus durfte ich eigene
Unterrichtsstunden gestalten, was mir als gelernte Grund-, Haupt- und Realschullehrerin nicht schwer viel. Regelunterricht, spannende Ausflüge, kreative Projekte – alles war in den vier Wochen
dabei.
Und ich habe für mich festgestellt: Ich habe früher nicht nur „als Lehrerin gearbeitet“, sondern: ich bin Lehrerin! Nicht nur auf dem Papier. Es gehört zu mir und meiner Identität. Ungeachtet
dessen, ob ich (künftig) in diesem Beruf arbeite oder nicht, erfüllt mich diese Erkenntnis mit großer Freude!
Ich habe meine Gemeinschaft auf eine neue und tiefgehende Weise erlebt und gelebt. Durch das Teilen von Gebet, Mahlzeiten und Freizeit sowie Arbeitszeit in unserer kleinen Gruppe entstand –
meines Erachtens – eine bemerkenswerte Intensität. In einem größeren Konvent mit unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten und variierenden Prägungen in Bezug auf Alter, Herkunft und Interessen
sind die äußeren Rahmenbedingungen ganz anders und vieles schlicht weg unmöglich.
Zu guter Letzt möchte ich auf die Kontrastivität der Mentalitäten eingehen. Ich bin gebürtige Kölnerin, aufgewachsen im idyllischen Bergischen Land, und ich bin stolz darauf, Rheinländerin zu
sein (mit allem Zipp und Zapp). Dennoch fühle ich mich, vielleicht auch wegen meiner Bremer Wurzeln väterlicherseits, im Norden wohl. Wenn es ein Problem gab, wurde ich oft gefragt: „Wie kann ich
helfen?“ Nicht: „Brauchst du Hilfe?“ Und im Dialog mit den Menschen hieß es nicht: „Noch was?“ Sondern: „Was noch?“ Zugewandt, hilfsbereit und offen – so habe ich sie erlebt und so erinnere ich
die Menschen in Vechta, denen ich begegnet bin.
Viel Schönes gäbe es noch zu berichten: von der einfachen Profess drei junger Dominikaner Brüder, von einem Doppelkopf Turnier, einem Messdiener Wochenende, einem Ausflug nach Bremen… und vielem
mehr.
Ich schätze es, Menschen zu begegnen. Ich genieße es, Zeit mit ihnen zu verbringen. Besonders erfreue ich mich daran, junge Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu begleiten.
Ich danke Schwester Kerstin-Marie und Schwester Christina für die bereichernde Möglichkeit, an ihrem Leben teilhaben zu dürfen. Ebenso danke ich unseren Brüdern, den Dominikanern, für die
herzliche Aufnahme und das liebevolle Miteinander. Zu jedem Zeitpunkt habe ich mich sehr wohl bei euch gefühlt. Ich danke den Menschen in Vechta und allen, denen ich begegnen durfte, für ihre
Zeit, ihre Gabe und ihr Engagement.
Ich danke meiner Gemeinschaft für die Chance, mein „altes Ich“ (die Lehrerin vor dem Eintritt) mit meinem „neuen Ich“ (der Novizin bei den Arenberger Dominikanerinnen) zu verbinden. Es ist ein
wunderbares Gefühl zu erleben, wie verschiedene Lebensphasen zusammenkommen und am Ende alles stimmig wird.
Nun bin ich mit Freude auf den Arenberg zurückgekehrt und blicke erwartungsvoll auf die kommenden Monate im Noviziat.
Schwester M. Gloria
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* Ich
möchte an dieser Stelle den Ausruf „schwules Bakum!“ in den zugehörigen Kontext einordnen und mich gleichzeitig bei allen Personen entschuldigen, die in Bakum leben und oder sich aufgrund dieser
Äußerungen angegriffen, verletzt oder beleidigt fühlen. Diese Verwendung ist nicht als solche gemeint; „Schwules Bakum!“ ist ein feststehender und wertneutraler Terminus.
Wie wurde dieser Begriff geprägt? An einem Freitag in der zweiten großen Pause wurde ich gebeten, mit einer fünften Klasse über die Beleidigung „schwules Bakum“ zu sprechen. Da ich dies schon
lange nicht mehr gemacht hatte, fand ich die Aufgabe reizvoll und übernahm sie gerne.
Einige Kinder hatten versucht, andere Kinder aus Bakum zu beleidigen, und waren auf den Begriff „schwules Bakum“ gestoßen. Ich lud die Kinder ein, über den Begriff zu diskutieren. Es gab viele
unterschiedliche Äußerungen. Am Ende begann ein Mädchen fast zu weinen und sagte: „Zu mir haben sie das auch gesagt.“ Daraufhin erklärte ich ihr, dass ich kürzlich wegen meiner blauen Haare
beleidigt worden war. Die gesamte Klasse war verwundert und fragte: „Hä? Sie haben doch gar keine blauen Haare, Schwester Gloria.“ Ich antwortete: „Eben. Kann mich so eine versuchte Beleidigung
treffen? Ich entscheide, ob ich eine Beleidigung annehme oder nicht.“
Wir sprachen weiter darüber, dass es positiv ist, schwul zu sein. Man findet heraus, wer man ist, was man mag und was man braucht, und lebt es. Wie viele Menschen leben im Dunkel und wissen
nicht, wer sie sind und was sie brauchen. Masel tov, schwules Bakum!
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Eva Maria Hinkes (Samstag, 12 Oktober 2024 20:58)
Soviel Begeisterung für Deine Gemeinschaft und auch Aufflammen Deiner Lehrerinnenberufung und soviel Flexibilität ob in der kleinen oder großen Gemeinschaft.
Wo das noch hinfúhrt. Fùhlt sich sehr spannend in mir an.
Viel Entdeckungsfreude jetzt wieder im Kloster Arenberg wünscht Dir
Von ❤️ Eva Maria
Marianne Meier (Sonntag, 13 Oktober 2024 22:41)
Liebe Frau Riebesehl,
Wie schön, dass Sie wieder als Lehrerin arbeiten. Sie fehlen den Kindern und uns Eltern hier an der Marienschule.
Mit den besten Wünschen für Ihre Zukunft!
Frau Meier
Anja (Samstag, 19 Oktober 2024 14:54)
Hanna!!! Wie schön, dass du wieder IN der Welt mit jungen Menschen arbeitest. Deine lebendige Christusbeziehung war mir immer ein Vorbild. Jetzt begeistere den Norden durch dein Sein für Jesus! Pace et bene.