Ein Jahr Noviziat - Wie war's?

Am Tag der Einkleidung
Am Tag der Einkleidung

Noviziat

es ist der kleine Alltag

der dich einführt

in dein Leben

wie ein Novizenmeister

 

Tag für Tag

weiht er dich tiefer ein

in das Mysterium

von Schmerz und Glück

 

nicht alles geht

nach deinem Kopf

und vieles läuft dir

wider Willen

 

und grausam eingerissen wird

der Tempel deiner Selbstbildnisse

unbelügbare Entziehungskur

all deiner Süchte

 

du kannst nicht alles meistern

entthront wird deine Souveränität

und du begreifst dass du

nicht deines Lebens Herr bist

 

wenn du aber alles Kleine liebst

und deine Armut noch umarmst

so wird das Leben dir

zum stillen Freunde werden

 

(Andreas Knapp)

 

 

Heute, vor einem Jahr war ich sehr sehr aufgeregt, denn heute vor einem Jahr war meine Einkleidung und damit der Noviziatsbeginn in der Gemeinschaft der Arenberger Dominikanerinnen. Ein Jahr später überwiegt die Freude darüber, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Und für Sr. Gloria und mich endet heute das sogenannte "kanonische Jahr" - (kanonisch von Kanon = Kirchenrecht), welches klare Regeln für ein gültiges Noviziat bestimmt. Dieses erste Jahr feiern wir heute auch ein bisschen - praktisch, dass unsere Noviziatsleitung ein Händchen für selbstgebackene Kuchen aller Art hat. :-)

 

Neben dem Feiern stellt sich für mich aber natürlich auch die Frage: Wie war's denn jetzt, das erste Jahr?

 

Besser als Andreas Knapp kann ich nicht ausdrücken, was es bedeutet ein Noviziat zu machen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, was das Noviziat alles zu Tage bringt, in welche Tiefen man hinabsteigt, welche puren Glücksmomente man erleben wird und wie anstrengend es auch ist. Man kann ein Noviziat nicht angemessen beschreiben, sondern man muss es erleben.

Da aber nicht so viele Menschen diese Erfahrung machen, versuche ich hier ein wenig meine Erfahrungen des letzten Jahres zu teilen.

 

Man kann sich den Noviziatsprozess etwa wie Exerzitien vorstellen - nicht, dass wir dauerhaft schweigen und nur beten würden, aber in Exerzitien kommen oft Themen hoch, die im Alltag übersprungen oder nicht angeschaut werden und genau so ist es im Noviziat.

Jemand hat mal das Bild von den verschiedenen Schichten der Zwiebel für das Noviziat verwendet: Schicht für Schicht kommt das eigene Selbstbild zum Vorschein. Kontakt zu Familie und Freunden wird deutlich reduziert (die erste Schicht fällt weg), die alte Arbeitsstelle oder Beschäftigung wird nicht weiter ausgeführt (die zweite Schicht), Freizeitgestaltung und Hobbys müssen den Gegebenheiten des Klosteralltags angepasst werden (die dritte Schicht usw.) Die Frage stellt sich wohl jedem Novizen/Novizin: Wer bin ich, wenn all das wegfällt? Wer bin ich außerhalb meiner Arbeitsstelle? Wer bin ich, wenn ich nicht in der Rolle Tochter/Schwester/Freundin/Tante bin, sondern "nur" eine Ordenssschwester unter vielen? Wer bin ich, wenn ich mich nicht über das definiere, was ich tue?

Das ist es, was Andreas Knapp so treffend beschreibt: der Tempel deines Selbstbildes wankt und kommt zu Fall.

 

Das hört sich jetzt alles so grausam an, aber so habe ich es nicht erlebt, eher als befreiend, wenn auch anstrengend. Für mich ist das Noviziat ein Geschenk, denn hier habe ich Zeit und Raum, um mich genau diesen Fragen zu widmen. Hier gibt es keine Flucht in Arbeit, Sport, Beziehungen etc. Wenn es all das nicht mehr in dem Maße wie früher gibt, passiert es, dass man sich über Kleinigkeiten aufregt/wundert/freut oder traurig ist, über die man sonst im Alltag einfach hinweggelebt hätte. Es ist einerseits eine Gefahr sich in solche Kleinigkeiten des Zusammenlebens zu verkrampfen, andererseits offenbart es viel von meiner Persönlichkeit/meinen Wunden/meinen Themen. Früher oder später werden wir alle an den Punkt kommen, an dem wir nicht mehr wie gewohnt unsere Arbeit nachgehen können, an dem unsere körperliche Kraft nachlässt. Wir werden um diese Frage nicht herum kommen: Wer bin ich, wenn ich nicht im vollen Leben stehe; wenn ich einfach nur bin ohne Tun/ohne Leistung?

"Du begreifst dass du nicht der Herr deines Lebens bist", wie Andreas Knapp es beschreibt. Das gilt ja nicht nur für die großen Dinge wie Sterben oder Krankheiten, sondern auch für die kleinen. Als Novizin gehört es auch dazu zu lernen, dass unsere Lebensform ein stückweit Unverfügbarkeit beinhaltet. Wir können nicht auf jeder Hochzeit tanzen, nicht jeden Geburtstag mitfeiern oder jede Einladung annehmen, wenn es zum Beispiel gemeinschaftsinterne Verpflichtungen gibt.

 

Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstbild ist das eine; bei mir kam noch ein zweiter Aspekt dazu: Die Auseinandersetzung mit dem Gottesbild. Es ist ja so, dass wir in unserer Lebensform diesem Gott sehr existenziell ausgesetzt sind - die Suche nach Gott ist unser täglich Brot. So stellt sich natürlicherweise die Frage: Welchem Gott folge ich da eigentlich? Wer ist dieser Gott, der mich wohl so sehr fasziniert, dass ich freiwillig um 5:30 Uhr aufstehe, um die Begegnung mit ihm zu suchen? Und für mich hat sich noch einmal intensiver die Frage gestellt, was mir die Mysterien des Glaubens bedeuten: Was bedeutet mir Christi Himmelfahrt, Was bedeutet mir Pfingsten, Was bedeutet mir der Karfreitag? usw. 

 

Vieles ist auch eine Umstellung, so z.B. sich nicht mehr so spontan wie früher mit Freunden zu verabreden, um vieles bitten zu müssen, über das man vorher wie selbstverständlich verfügt hat und doch ist auch dies ein Punkt, den ich gerade genieße. Einfach mal zwei Jahre keine große Verantwortung zu haben, keine Abgaben oder äußeren Druck zu haben, den Luxus haben ganz mit mir beschäftigt zu sein. Der Alltag ist sehr klar strukturiert: Die Arbeit am Morgen besteht meist aus Handarbeit in den Bereichen des Hauses - ehrlicherweise feier ich es mal wieder körperlich zu arbeiten statt nur geistig. Am Nachmittag steht neben dem gemeinsamen Unterricht eine weitere Stunde Selbststudium an.

 

Dauerhaft im Status Noviziat zu sein, wäre mir zu eng, aber ich freu mich, dass noch ein weiteres Jahr vor mir liegt. Denn bei aller "Enge" ist das Noviziat für mich auch ein safe space. Hier darf ich schwach sein, die Armut spüren und umarmen, mich ihr stellen, Masken tragen funktioniert nicht. Es ist ein Raum, um sich den Wunden zu nähern und sie heilen lassen zu dürfen unter dem Blick Gottes.

Ich bin gespannt was ich im zweiten Jahr noch alles entdecken und was sich offenbaren wird. Ich freu mich drauf!

 

Sr. M. Clarita

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Kommentare: 2
  • #1

    Inge Rawe (Montag, 18 März 2024 13:54)

    Liebe Schwester M. Clarita, mir hat Dein Bericht sehr gefallen. Ich spüre die Herausforderung, die das Noviziat mit sich bringt und Deinen Mut, lass es mich mal so ausdrücken: "es"wissen zu wollen. Ich wünsche Dir weiterhin viel Mut, Ausdauer, Gelassenheit, Vertrauen und Freude für Deinen weiteren Weg!
    Und natürlich: herzlichen Glückwunsch zum 1.Jahr!!! Liebe Grüße Inge

  • #2

    Eva Maria Hinkes (Dienstag, 19 März 2024 12:46)

    Vielen herzlichen Dank für Ihre so ehrliche wahre und wunderbare Schilderung des Novizatjahres, liebe Sr. Clarita und herzlichen Gruß an Sr. Gloria, die ich schon in Bonn kurz kennengelernt hatte.
    Das Allerbeste mit Gottes Segen für Ihr zweites Noviziatjahr
    Von ❤️ Eva Maria Hinkes