Das Fest der Bekehrung des hl. Paulus ist an mir bisher still vorbeigezogen - bis gestern.
Die Geschichte des hl. Paulus ist eigentlich schnell zusammengefasst: Pharisäer - Bekehrung - Völkerapostel - Märtyrer.
So in etwa habe ich auch Paulus bisher gesehen, doch dieses Jahr bleibe ich an seiner Bekehrung hängen. Ich bleibe daran hängen, was es eigentlich bedeutet, dass Saulus Christ wurde. Erstens, was es für ihn und seine Biografie bedeutet, zweitens, was es für sein Gottesbild bedeutet, drittens was es für seine Mitmenschen bedeutet.
Schauen wir uns die Bekehrung einmal genauer an.
Saulus ist ein gescheiter Pharisäer, Kenner des jüdischen Glaubens, ein Eiferer für die Sache des Herrn und fühlt sich vom "neuen Weg" ernsthaft bedroht. Der Glaube an einen Messias, der jämmerlich am Kreuz starb und auferstand, ist für ihn lächerlich, häretisch und gefährlich. Er tut alles, damit sich diese Lehre nicht weiter ausbreitet. Deshalb ist er auch auf dem Weg nach Damaskus, um die Jünger Jesu zu fesseln (vgl. Apg 9,2).
Und dann passiert das Unglaubliche: Jesus offenbart sich Saulus als der Christus. Mit allen Sinnen: Er sieht ein Licht, er hört eine Stimme, er fällt zu Boden, er ist blind, er isst und trinkt nicht für drei Tage. Die Begegnung mit Christus verändert alles. Wir können nur ahnen, was er in den drei Tagen der Blindheit und des "Fastens" durchgemacht haben muss: Scham, Trauer, Irritation, Zweifel, Orientierungslosigkeit, Sinnsuche, Beten, vielleicht aber auch Freude, Verbundenheit, Glück, Stille, Geborgenheit, Staunen.
Immer wieder dringt in seinen Briefen eine gewisse Scham über seine Vergangenheit durch: "Ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe." (1Kor 15,9) Und doch scheint mir Paulus versöhnt zu sein mit seiner Geschichte, auch wenn sie nicht vergessen und Teil von ihm ist. Neben Versöhnung muss er aber auch den Mut gehabt haben sich auf diesen neuen Weg einzulassen. Letztlich seinen Irrweg zugeben, seine Nacktheit zeigen und zu seiner Schwäche stehen. Wir wissen ja selbst wie schwer es ist, seine Meinung zu ändern bzw. zuzugeben, dass man sich geirrt hat, aber für jemanden, der nach eigenen Angaben als ein "jüdischer Spitzentheologe" galt, weil er größere Fortschritte als seine Altersgenossen machte (Gal 1,14), muss dies eine unendlich große Demutsstufe bedeuten.
Und so reagieren auch seine Mitmenschen: Sie hatten entweder Angst vor ihm oder glaubten nicht, dass er jetzt Christ war. So auch die Jünger in Jerusalem: "Aber alle fürchteten sich vor ihm, weil sie nicht glaubten, dass er ein Jünger war." (Apg 9,26) Und die Pharisäer wollten ihn nach seiner Wende prompt töten (Apg 9,23). Von seiner alten Bubble abgelehnt und verstoßen, von seinen neuen Brüdern und Schwestern nur zaghaft begrüßt - Paulus hatte es auch gesellschaftlich nicht leicht. Ich stell mir das in etwa so vor, als wenn Christian Lindner plötzlich "Klimakleber" würde...
Was bedeutet seine Bekehrung für sein Gottesbild? Im Galaterbrief schreibt er von seinem überragenden Einsatz für Gott. ("Mit dem größten Eifer setzte ich mich für die Überlieferungen meiner Väter ein" Gal 1,14). Hier ist jemand, der weiß wovon er spricht. Der Gott aber, von dem er glaubte ihn zu kennen, offenbarte sich als ein ganz anderer. Wir wissen nicht wie viel Kraft es ihn gekostet haben muss, das bisher Geglaubte loszulassen, aber dass jemand seine eigene Schwachheit noch zum Ruhm Gottes verwenden kann, zeugt von einem Gottesbild der Freiheit, der Gnade und des Erbarmens. Paulus nutzt seine ganze Scham und seine ganze (peinliche?) Vergangenheit, um Gottes Handeln an ihm zu bezeugen: "Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin." (1Kor 15,10). Nicht durch schlaue Theologien, durch den Kampf gegen andere, durch die Abschottung und die Flucht auf eine "Insel der Wahrheit", steht man im Dienste Gottes, sondern das gnädige Handeln Gottes an den Menschen ist das eigentliche Zeugnis, auch im Leben des Paulus. So wichtig seine Briefe, seine Theologie und sein Wirken sind, das größtes Zeugnis ist, dass aus Saulus Paulus wurde und das ohne sein aktives Zutun: Er nennt es Gnade.
So schwierig ich manchmal seine Briefe finde, geht mir die Lebensgeschichte des Paulus sehr nach.
Die Frage gilt auch uns: Sind wir bereit und haben wir den Mut neue Wege einzuschlagen? Können wir bekennen uns geirrt zu haben, ohne an unserer Würde zu zweifeln?
Und wie gehen wir mit Menschen um, die ihre Meinung ändern? Dürfen wir eigentlich noch Fehler machen?
Oder nageln wir uns und unsere Mitmenschen auf die Vergangenheit fest? ("Ist das nicht der Mann, der in Jerusalem alle vernichten wollte, die diesen Namen anrufen?" Apg 9,21). Politiker/innen erleben dieses Phänomen wohl sehr oft, sodass Konrad Adenauer einmal erwiderte: "Aber meine Herren, es kann mich doch niemand daran hindern jeden Tag klüger zu werden."
Paulus blieb ein Eiferer, auch nach seiner Bekehrung, aber die Begegnung mit Christus hat etwas Grundlegendes in ihm verändert, sodass er sagen kann: "Ich vergesse was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegespreis: der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus." (Phil 3,13)
Sr. M. Clarita
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Norbert (Sonntag, 04 Februar 2024 09:38)
Hat Saul hat seinen angestammten Glauben verlassen? Paulus erfuhr vor "Damaskus" keine Bekehrung , sondern eine Berufungsvision wie Moses, Jeremia. Er verweilte danach 3 Jahre in Qumran am Toten Meer. Paulus wandelte den "Glauben Jesu" in einen "Glauben an Jesus" (vgl. Pinchas Lapide, Die Bibel aus jüdischer Sicht - Paulus, Gütersloh, 4. Aufl., 2001)
Zur Einführung: Paulus zwischen Damaskus und Qumran. Fehldeutungen und Übersetzungsfehler
https://www.youtube.com/watch?v=zMXQ_7hN9DI ab Minute 10, v.a.ab Minute 15:43, zur Berufung 22::28
Sophia Charleston (Donnerstag, 04 Juli 2024 14:35)
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