Zugrunde gehen oder zu Grunde gehen?

"So sehr hat Gott die Welt geliebt, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat." (Joh 3,16)

Am Fest der Kreuzerhöhung (14.10) hören wir dieses Evangelium von Jesus im nächtlichen Gespräch mit Nikodemus. Hängen geblieben bin ich in diesem Jahr am Wort "zugrunde gehen". Ein zweideutiges Wort: Einerseits Sterben, andererseits "zum eigenen Herzensgrund gehen".

 

Zurzeit befinde ich mich im Noviziat, einer Zeit bei der vieles zu Grunde geht und gehen darf - Freundschaften, mein Gottesbild, mein Selbstbild, meine Identität,...

Aber es ist nicht jenes zugrunde gehen - jene Vernichtung von der Jesus spricht, sondern es ist viel mehr ein zum Grunde gehen: Hin zu den tiefer liegenden Schichten meiner Seele, zu dem, was im Alltag sonst so schnell verdrängt wird, zu dem, was man gerne mit Ablenkungen jeglicher Art weghaben will. Da kommen Themen hoch, Wunden hoch, die als längst verschüttet galten. Was mich vorher ausgemacht hat, ist nicht mehr: Vom Tun zum Sein. Von der Oberfläche zur Tiefe.

 

"Meister, Meister, wir gehen zugrunde!" (Lk 8,24) Mit diesen Worten wird Jesus geweckt als er sich auf einem zugrundegehenden (= hier im wahrsten Sinne des Wortes: auf den Grund eines Gewässers sinken) Schiff mit seinen Jüngern befindet. Sofort steht er auf, stillt den Sturm und rettet vor dem Zugrundegehen. Gott will nicht die Vernichtung des Menschen!

Bei der Berufung der ersten Jünger hingegen, fordert Jesus Petrus auf, dorthin zu fahren, wo der See tief ist (Lk 5,4). Nur dort werden sie Fische im Überfluss fangen, nur dort im tiefen Gewässer können sie sich selbst auf den Grund gehen: "Geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr" (Lk 5,8), so die plötzliche Erkenntnis des Petrus. Ja, das auf-den-Grund-gehen des eigenen Seins kann schonmal weh tun, allzu schmerzlich sein und dennoch steckt keine Vernichtung dahinter. Es ist wie mit dem Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt, bevor es Frucht bringt. (Joh 12,24)

 

Es ist nicht besonders angenehm dabei seinem eigenen Ab-Grund, zu begegnen; es ist manchmal extrem schwer sich selbst auszuhalten und dann sich immer und immer wieder Gott hinzuhalten.

Und dennoch, der Gottessohn selbst ist zugrunde gegangen, wurde vernichtet, damit wir nicht zugrunde gehen, sondern in IHM auf unseren tiefsten Grund hinabsteigen dürfen, in der Zuversicht, das er selbst dort auf uns wartet - "Hinabgestiegen in das Reich des Todes".

 

Petrus ist für mich ein Meister des zu-Grunde-gehens. Immer wieder stößt er an seine eigenen Grenzen, muss ständig auf den Grund seiner Selbst gehen, sehr bildlich greifbar bei seinem Gang auf dem Wasser. Doch gerade dort, wo er wortwörtlich sinkt und zugrunde geht, streckt ER seine Hand aus und wird gerettet - "Auferstanden von den Toten".

 

Haben wir den Mut zu Grunde gehen, in welcher Form es uns auch immer möglich ist. Ich habe die feste Hoffnung bei all dem Schmerz, der da auch zu Tage kommt, gleichzeitig mit dem Psalmist beten zu können:

"Er griff aus der Höhe herab und fasste mich, zog mich heraus aus gewaltigen Wassern." (Ps 18,17)

 

"Ich wäre zugrunde gegangen, wäre ich nicht zu Grunde gegangen."

(Sören Kierkegaard)

 

Sr.M.Clarita

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Jürgen Hadem (Freitag, 15 September 2023 10:14)

    Danke für Ihre Offenheit Schwester Clarita!
    Danke das Sie den Leser bzw. die Leserin teilhaben lassen an Ihren Emotionen, Ihrem Glauben.. ich entdecke so viele Parallen zu meinem Leben in ihren Zeilen.
    Vielleicht ergibt sich irgendwann einmal die Möglichkeit, für einen persönlichen Austausch auf dem Arenberg!

    Für Sie und Ihre Mitschwestern eine gute Zeit und bleiben Sie behütet:-)

    Liebe Grüße aus dem Siegerland von einem Gast, der so dankbar das es einen solchen KRAFTORT gibt!!!!

  • #2

    Inge Rawe (Montag, 18 September 2023 13:34)

    Liebe Schwester M. Clarita, klare Worte, denen ich nichts hinzufügen kann, möchte. Und die mich erfreuen. Ja, so ist das Leben und eine "Aufgabe" in unserem Leben, in unserem Sein, sollte die persönliche Reise zu unserem Grund sein. Und jede Reise erfordert Mut und Vertrauen! Ich wünsche Dir von Herzen weiterhin viel Mut und Vertrauen, lg.Inge