Tabor - Ein Moment, für den es sich lohnt

"Alles hat sich gelohnt!" Hatten Sie schon einmal so einen Moment, der Sie alles vergessen ließ? Einen Tabormoment? Einen Moment, den Sie wie Petrus festhalten wollten? Ein Moment des puren Glücks?

 

Mein Tabormoment war am 29. August 2022 gegen Mittag. Seit zwei Wochen waren wir mit unseren Fahrrädern unterwegs gewesen, gestartet in Augsburg und immer das Ziel im Auge: Der Petersplatz in Rom.

Wir übernachteten, wo wir gerade eine Unterkunft fanden: Unter freiem Sternenhimmel, im Kloster, im Pfarrsaal, im Garten, immer auf unseren Luftmatratzen. Wir ernährten uns von Feigen und Brombeeren, die am Wegesrand wuchsen, kochten abends mit unseren Gaskochern für sieben Leute leckeres Essen und lasen danach immer ein Stück aus dem Römerbrief. Geduscht wurde im See, in Flüssen oder in ausschließlich kalten Duschen in den Unterkünften. Jeden Tag feierten wir Messe, mal am Straßenrand, mal in einer italienischen Dorfkirche, manchmal zusammen mit einer Pfarrei. Eine Stunde am Tag fuhren wir im Schweigen. Von Regenschauer bis brütende Hitze war auch beim Wetter alles dabei. Schon so viel hatten wir hinter uns gelassen: Den Brennerpass, den Gardasee, die Grabeskirche des hl. Dominikus in Bologna, das touristenüberfüllte Florenz, das urige Siena. Heute am 29. August sollten wir Rom erreichen, kaum zu glauben.

 

Die Nacht haben wir an einem Seeufer übernachtet und wurden am frühen Morgen von Ameisen überrascht, die sich über die Essensreste hermachten. Gestern kamen wir nicht mehr zum Spülen – es war schon spät und dunkel geworden. Wir starteten mit der Messe am Seeufer und fuhren dann los. Kaffeepause in La Storta, 16km vom Petersplatz entfernt. Dann die ersten Vororte Roms. Meine Spannung stieg. Kaum zu glauben wir sind in Rom! Die Straßen kamen mir immer bekannter vor, ein Stück fuhren wir an der vatikanischen Mauer vorbei – es fühlte sich fast so an wie nach Hause zu kommen, es hatte etwas Vertrautes. Schließlich bogen wir in die Via di Porta Angelica ab und fuhren direkt auf die Kolonnaden des Petersplatzes zu. Und dann sah ich ihn: Den großen majestätischen Petersdom. Schon oft habe ich ihn gesehen, aber noch nie war ich so ergriffen wie in diesem Moment. Wir stiegen von unseren Rädern ab – Angekommen.

 

Dennoch fielen wir uns zunächst nicht um den Hals, auch sagte keiner was. Wir standen nur da. Schweigend vor Rührung, staunend vor dem, was da gerade passiert war. Mir kullerten die ersten Tränen über die Wangen. Menschen, Touristen gingen umher – aber wir standen einfach nur still dort auf dem Petersplatz. Irgendwann läutete es 12 Uhr. Wir fielen uns endlich um den Hals, machten Fotos, beteten den Angelus. Es war ein absolut bewegender, magischer Moment für mich dort am Petersplatz mit meinem Fahrrad zu stehen. Warum? Vielleicht, weil die Radtour von Augsburg nach Rom nicht mehr nur eine Schnapsidee war, sondern Realität. Wir hatten es wirklich geschafft. Plötzlich da. Die Anstrengung der letzten Wochen, der spartanische Lebensstil, die Tränen, der Streit, der Weg, alles hatte sich gelohnt.

Und so schnell wie er kam, verging der Moment der Ergriffenheit auch wieder. Die nächsten zwei Tage verbrachten wir in Rom, fuhren zum Meer, nahmen an der Papstaudienz teil und stiegen schließlich in den Bus, der uns innerhalb einer Nacht den gesamten Weg zurückfuhr, den wir uns mit dem Fahrrad erkämpft hatten.

 

Alles hat sich gelohnt – Vielleicht hat sich das auch Petrus auf dem Berg Tabor gedacht. Jesus nachfolgen, alles verlassen, umherziehen, umkehren – Alles lohnt sich, weil ER der Messias, der Christus ist. In seiner ganzen Fülle und Majestät zeigte er sich ihm für einen kurzen Moment auf dem Berg Tabor.

 

Alles wird sich lohnen – Jerusalem. Jesus hat sein Leiden und Sterben vor Augen. Und erlebt nun auf dem Berg ein besonders intensives Erlebnis des Sohn-Seins, das ihm versichert: Es wird sich lohnen. Der ganze Leidensweg lohnt sich, damit auch der Mensch zu dem wird, was er sein soll: geliebter Sohn, geliebte Tochter, geliebtes Kind Gottes.

 

Es gibt sie, diese Momente, die uns zeigen wofür es sich lohnt. Es lohnt sich nicht wegen des punktuellen Erlebnisses des Glücks, sondern wegen des großen Ganzen. Und doch sind solche Tabormomente immer wieder eine Kraftquelle.

 

Was lohnt sich für mich? Wofür lebe ich? Für was bin ich bereit viel zu geben?

 

Sr. M. Clarita

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Laura Johanna Proske (Sonntag, 06 August 2023 09:52)

    danke Sr. M. Clarita, für das teilen dieses Tabor-Moments. bereichert mich sehr. <3 wünsche uns immer wieder diese Tabor-Momente zur richtigen Zeit, zwischen den dicken Herausforderungen des Lebens.

  • #2

    Ursula H. (Dienstag, 15 August 2023 11:45)

    ...und das Besondere an einem solchen Tabor Moment: er ist nicht planbar, nicht buchbar. Wir können uns allerdings innerlich wie äußerlich immer wieder auf den Weg machen, um ihm eine Chance bzw. uns diese Chance zu geben. Er stellt mich in einen großen Zusammenhang, den ich nur erahnen, aber nicht begreifen kann.
    Danke für den lebhaften Beitrag.

  • #3

    Frank Koch (Dienstag, 15 August 2023 23:48)

    Wie wunderbar ❣️Vielen Dank für die Möglichkeit diesen Tabormoment mit erleben zu dürfen. In der Ewigkeit, bei Jesus werden wir überglücklich, gemeinsam singen: Es hat sich gelohnt. Das ganze Leben mit Höhen und Tiefen auf das Evangelium auszurichten. Das hat Ewigkeitswert �����