Selbstbestimmt im Kloster?

Selbstbestimmung und Freiheit sind wohl nicht die ersten Dinge, die man mit dem Ordensleben verbindet – im Gegenteil und doch erlebe ich unser Leben alles andere als unfrei.

 

Vielmehr werde ich von meiner Gemeinschaft herausgefordert meine Entscheidung hier zu sein immer und immer wieder zu prüfen: Möchte man ins Noviziat aufgenommen werden, muss von Seiten der Postulantin ein Antrag gestellt werden (Hanna und ich haben ihn heute abgegeben 😊) ; will eine Schwester erste Profess machen, wird sie zu einem Gespräch mit dem Generalrat gebeten; jede Professerneuerung muss schriftlich begründet werden und auch vor der ewigen Profess muss eine Schwester vor dem Generalrat erklären, warum sie diesen Schritt gehen will.

 

Jede Schwester, die hier lebt, hat ihre Lebensentscheidung also vielfach geprüft, durchdacht und durchbetet. Jede hat sich aktiv für dieses Leben entschieden. Wir alle wurden auf unterschiedliche Weise von Gott berührt und in dieses Leben gerufen und haben uns freiwillig (!) dazu entschlossen, dem Ruf nachzugehen.

 

So bemerkt Isabel Losada in ihrem Buch „Warum Frauen ins Kloster gehen. Um Gottes Willen“:

„Diese Menschen haben mehr als nur eine Entscheidung getroffen. Sie haben sich entschieden, dann ihre Entscheidung erneut überdacht und ganz bewusst noch einmal bestätigt. Eigentlich sind sie der Inbegriff von Selbstbestimmung. Sehr wenige Menschen haben diese Möglichkeit im „normalen“ Leben. Wie viele Menschen verbringen Jahre an einer Arbeitsstelle, obwohl sie eigentlich lieber etwas anderes täten? Sie wachen jeden Morgen auf und empfinden nicht die geringste Begeisterung für den neuen Tag, weil sie sich dieses Leben nicht selbst ausgesucht haben. Aber bei den Nonnen ist das anders. […] Sie sind genau an dem Platz, an dem sie sein wollen.“!

 

Natürlich ist deshalb nicht immer alles nur super toll, sondern es wird uns auch vieles vorgegeben: Wo wir leben, wie wir leben, was wir essen, wann wir aufstehen, was wir anziehen,… Klingt erstmal nicht selbstbestimmt, verleiht aber eine ganz große, vor allem innere Freiheit. Wenn es nach mir ginge, könnten wir die Laudes ruhig 1-3 Stunden später beten, aber die Alternative - gar keine Laudes oder alleine zu beten - würde mich auf Dauer sehr unglücklich machen. Deshalb entscheide ich mich dafür, um 5:30 Uhr aufzustehen, obwohl ich lieber weiterschlafen würde. Ich finde dies ist eine viel tiefere Form von Freiheit, als sich nur den affektiven Stimmungen hinzugeben. Und genau da merke ich auch etwas von meiner eigenen Menschwerdung: Etwas zu tun, das mir auf den ersten Blick gar nicht so gut gefällt (letztlich aber gut ist), ist eine Manifestation meines Menschseins und meiner Freiheit, weil ich mich dadurch nicht abhängig von Lust und Laune mache. Sollte ich mich dauerhaft unfrei fühlen, wäre es tatsächlich sinnvoll zu erwägen, ob diese Lebensform mir hilft, mein Mensch- und Christsein voll auszuschöpfen.

 

Deshalb finde ich: Ein Leben im Kloster ist alles andere als fremdbestimmt. Es gibt natürlich Dinge, die nicht immer meinem Willen entsprechen, aber die ich um eines höheren Zieles willen, trotzdem tue. Bei solchen Dingen werde ich auch immer wieder mit mir selbst konfrontiert und muss mich mit mir auseinandersetzen. Mich zu verstecken, mir aus dem Weg zu gehen oder vor jemandem oder etwas zu fliehen, ist daher im Kontext des Gemeinschaftslebens quasi unmöglich. Somit ist das Ordensleben tatsächlich eng verbunden mit Selbstbestimmung und der Auseinandersetzung mit meiner eigenen Person. Das kann sehr anstrengend sein, aber auch unglaublich wertvoll, fruchtbar und freiheitsstiftend.

 

„Wenn euch also der Sohn befreit, dann seid ihr wirklich frei.“ (Joh 8,36)

 

Postulantin Clara

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Kommentare: 2
  • #1

    Doro (Mittwoch, 16 November 2022 21:51)

    Mmm,
    Ja, ähnlich selbstbestimmt, wie ein normaler Arbeitnehmer. 6 Uhr aufstehen, obwohl ich gern noch weiterschlafen will. Zeit für ein Stoßgebet, Danke für die Nacht, Frühstück für die Söhne machen,, selbst ohne Frühstück zur Arbeit. Dort wenig selbstbestimmt - wenn es zeitlich passt immerhin zur Toilette, aber sonst stark gefordert, nicht nach meinem eigenen Plan, sondern durch die Menschen, mit denen ich arbeite. Kleine Atempausen bis 15 Uhr. Dann viel Pause und viel selbstbestimmt, obwohl die Vorbereitung und Nachbereitung erledigt werden muss, aber dann kann ich selbst entscheiden, wann die Arbeit getan wird.
    In der Wohnung keinen so schönen Kirchraum und allein, d.h. Beten ist irgendwie schwerer - keine regelmäßigen Gottesdienste in Gemeinschaft. Allein im Glaubensleben. Selbstbestimmt zwar, aber allein. Allein Verantwortlich für alles (Haushalt, Miete, Auto, Versicherungen, was alles nicht meinem Willen entspringt, muss gemacht werden, macht ja sonst keiner.) Wenn das Geld am Monat zu ende ist, ist eben keins mehr da. Frei, aber finanziell nicht frei. Kochen für die Kinder, Taxi Mama und Berufsberatung für die großen Söhne. Alleinerziehend für alles verantwortlich.
    Ich finde daher dass das Leben im Kloster in gewisser Weise trotz mancher Einschränkung, die auch ich im normalem Leben habe, viel mehr Sicherhheit bringt und zusätzlich die Gemeinschaft im Glauben.

  • #2

    Norbert (Mittwoch, 05 April 2023 19:53)

    Liebe Doro,

    was du schreibst, zeigt dein Glaubenszeugnis in einem sehr anspruchsvollen Alltag, mit der Herausforderung jeden Tag neu, die so wichtige Erziehung bzw. Begleitung der Kinder, die eigene Berufstätigkeit, die nicht gering zu schätzende Hausarbeit und die eigenen Bedürfnisse in einen Ausgleich zu bringen. Du bist immer wieder herausgefordert durch Ansprüche, die andere an dich stellen.
    Ich wünsche dir, dass du Gläubige findest, mit denen du Gebet in Gemeinschaft erleben kannst. Dazu bieten die Gemeinden und Laienzweige der Ordensgemeinschaften Gelegenheiten (Dominikanische Laien, Benediktineroblaten etc., was zu dir passt und wo du vor Ort Anschluss bekommst). Für die Berufsberatung gibt es auch (Internet-)Angebote der Agentur für Arbeit und der Schule. Du musst nicht alles alleine stemmen, hol dir Unterstützung. Dafür alles Liebe!

    Dir alles Gute, ich schließe dich in mein Gebet ein