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Schwester M. Hedwig Gruhn OP
01.02.1926 - 22.04.2021
1243 starb die große Heilige Schlesiens, die Herzogin Hedwig. In den Begegnungen mit unsere Schwester M. Hedwig, Waltraut Gruhn, die den Namen der Heiligen trägt, lag auch etwas Würdevolles: ihre Haltung und Disziplin machten sie aus, auch ihre Gabe zu leiten und zu repräsentieren: da war etwas Vornehmes, Diskretes und zugleich Zugewandtes.
Am 01. Februar 1926 in Penzig/Kreis Görlitz geboren, ihre Schwester war 8 Jahre jünger, erlebte Waltraut eine bewegte Kinder- und Jugendzeit. Ihre Geschichten sind ein Zeugnis sprühender Lebendigkeit. Ihr Vater war Rangierer bei der Bahn. Sein Beruf führte die Familie nach Glatz, wo Waltraut nach der Volksschule das Oberlyzeum besuchte, das jedoch wegen drohender Kriegsgefahr 1944 geschlossen wurde. Waltraut erhielt ihr „Notabitur“. Was sie dann erlebte, schriebe sich als spannender Roman: Sie leistete „Kriegseinsatz“, war für kurze Zeit Sportreferentin, dann Unterführerin von 70 Mädchen, die am Ostwall einen Schützengraben zu bauen hatten. Anschließend war sie im Arbeitsdienst in Oberschlesien. 1945 floh die gesamte Lagergemeinschaft vor den herannahenden Russen. In Chemnitz ausgebombt, kam sie nach Prag. Am 08. Mai 1945 durfte Waltraut das Kriegsende in ihrer Heimat erleben, wo sie ab 1946 im Komitee für die Repatriierung des deutschen Volkes aus der russischen und polnischen Besatzungszone mitarbeitete. Jahre später schreibt Schwester M. Hedwig an die Zeitschrift „Grafschafter Bote“: „Auf diese Weise bleibe ich der Grafschaft Glaz verbunden, in der ich glückliche Kindheits- und Jugendjahre verbracht habe… Trotz der Schmerzen um die verlorene Heimat denke ich voll Dankbarkeit zurück. Es ist gut, für die geschichtliche Wahrheit einzutreten und auf diese Weise zur Klärung einer friedlichen Lösung der Völker Europas beizutragen.“
1947 wurde sie mit ihrer Familie ausgewiesen, und sie fanden Heimat im Spreewald. Und wieder: Arbeit in einer Gurkenfabrik, Sprechstundenhilfe bei einem Arzt, dann endlich konnte sie ihre Ausbildung zur Krankengymnastin in der Universitätsklinik der Charité in Berlin verwirklichen. 1951 war Waltraut staatliche geprüfte Krankengymnastin und Masseurin. Im Zeugnis steht:
„Dank ihres guten Einfühlungsvermögens in die Verschiedenartigkeit der Patienten und ihrer Erkrankungen und der Sicherheit, mit der sie die Behandlungen durchführte, hatte sie sehr gute Erfolge.“
Danach kam Waltraut nach Düsseldorf-Heerdt in das Unfall-Krankenhaus am Rhein, das von unserer Kongregation geleitet wurde. 1955 begann ihr Wirken in Arenberg im Kneipp-Sanatorium. An diesen beiden Orten stärkte sich ihr Entschluss, als Ordensfrau leben und wirken zu dürfen. In ihrem Antrag schreibt Waltraut 1956: „Ich beabsichtige meine Tätigkeit aufzugeben, um als Dominikanerin GOTT vollkommener dienen zu können.“
Eine junge Frau, die so viel erlebt hat, lässt sich auf eine völlig andere Lebensweise ein.
Jahre später erhielt Schwester M. Hedwig die missio canonica für Erzbistum Köln, die es ihr ermöglichte, als Seelsorgehelferin in Gemeinde und Schule zu wirken – zuerst in Köln St. Aposteln, zusammen mit Prof. Dr. Theodor Schnitzler. Sie erhielt auch die Lehrbefähigung für Sonder- und Berufsschulen.
Neben ihren Prioraten in Berlin-Hermsdorf und Remscheid bleibt der Höhepunkt ihres Wirkens die Versetzung in die Schweiz, an den Heimatort unserer Gründerin Mutter M. Cherubine Willimann. Ihr Auftrag neben dem Religionsunterricht und Leitung der kleinen Gemeinschaft war der Bau unseres Klosters in Rickenbach. Wichtiger jedoch war ihr der Bau nach innen. Schwester M. Hedwig lag das klösterliche Leben mit dem ununterbrochenen Gebetsrhythmus sehr am Herzen. Bis zuletzt. Sie leitete an, mit Leib und Seele zu beten.
Und: ihr waren die Kontakte zum Dorf äußerst wichtig.
Nach ihrer Rückkehr aus Rickenbach 2016 wurde die Pflegestation im Mutterhaus ihr Lebensort. Ihre Liebenswürdigkeit und Dankbarkeit, ihr Lachen und ihr vornehmes Auftreten, ihre Großzügigkeit und auch Gelassenheit wird uns fehlen: Schwester M. Hedwig war eine große, kluge Frau, die sich an Kleinigkeiten und Schönem freuen konnte und lebenslange Freundschaften pflegte. Sie sehnte sich nach dem Himmel, und sie war bereit für das neue, uns verheißene Leben in GOTT.
Ein bewegtes Leben findet ein ewiges Bleiben.