Ansprache von Sr. M. Scholastika zum Professjubiläum und zur Noviziatsaufnahme von Kathrin Schäfer
Liebe Jubilarinnen,
heute feiern wir mit Ihnen Ihr langes, bewegtes Leben in unserer Gemeinschaft, Ihr langes, bewegtes Leben mit GOTT. Da kommen Jahre aus Bolivien, Schweiz und Deutschland zusammen …
Und mit Dir, liebe Kathrin,
feiern wir einen Anfang. Welche Zeitspanne!
Es ist gut, nach 50, 60 und 65 Jahren die Texte der Noviziatsaufnahme und der Einkleidung nochmals hören zu dürfen. Und es ist gut für eine angehende Novizin, sehen zu dürfen, dass dieses Leben sich lohnt. In vollen Zügen. Mit allem, was dieses Leben ausmacht. Und es ist ein kraftvolles Zeugnis erleben zu dürfen, dass Schwestern auf diesem intensiven Weg mit GOTT und den Menschen tiefes Glück und Frieden gefunden haben.
Sie alle haben durch ihr Leben, wie es Frère Roger ausdrückt, Seiten des Evangeliums geschrieben. Ihre Suche nach GOTT, Ihr Glaube an seine Präsenz, auch in dunklen Stunden, selbst auf schweren, dornigen Wegen, dürfen Ausdruck Ihres Glaubens und Hoffens, Ausdruck Ihrer Liebe sein. Bis heute.
Wir sind der Brief Christi, wie es Paulus an die Korinther schreibt (2 Kor 3):
„Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern - wie auf Tafeln - in Herzen von Fleisch.“ Einen Moment kehren wir zu den Exerzitien der vergangenen Tage zurück, und wir hören nochmals, wie Ulla Hahn überwältigt wurde von Worten aus der Hl. Schrift, in denen sie, auch wenn sie ihr oft Geheimnis blieben, eine Wirklichkeit erahnen durfte, die für sie wahr ist:
So schreibt sie autobiografisch aus ihrer Kindheit: „Die Geschichten waren es nicht. Es waren die Sätze. ›Ich bin das Brot der Welt‹, sagte Jesus. ›Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.‹ ›Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.‹ ›Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes.‹ Wo immer ich das Buch aufschlug, seine Wörter und Sätze waren schön und geheimnisvoll, voller Zauber und Kraft. › (Weiter):
Denn von ihm und durch ihn und in ihm ist alles. Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. Wer mich isst, wird durch mich leben.‹ Es lief mir kalt den Rücken herunter, die Wörter so viel wunderbarer als die Wirklichkeit. Mein Heft füllte sich mit schönen Wörtern und Sätzen, ›süßer als Honig und tropfende Waben‹. ›Lasset uns also ablegen die Werke der Finsternis und anziehen die Waffen des Lichts.‹ Wörter, die sich auf mir niederließen wie Verbandsmull, weich, leicht, schmerzstillend.
Wörter, die sich auf mir niederließen wie Verbandsmull, weich, leicht, schmerzstillend."[i]
Liebe Jubilarinnen, vielleicht leben Sie auch aus solchen wenigen, starken Worten, die Ihr Herz immer wieder aufrichten, stärken, hell machen und frei. Es ist schade, wir wissen wenig aus unseren Geschichten, kennen kaum das Wort, dass Sie einst tief berührte, kennen nicht die Augenblicke, in denen Ihnen dieser Weg mit GOTT als Dominikanerin Geschenk und Auftrag wurde.
Es ist unsere Hoffnung für Sie, dass Sie auf diesem langen Weg von 50, 60 und 65 Jahren, Mutter Ludwig Maria in Oberhausen sogar 70 Jahre tiefe innere Begegnungen mit GOTT feiern durften, mitten in aller Alltäglichkeit,
wie es Giannina Wedde beschreibt.
„Die Liebe hat sich verschenkt
an die niedrigen Dinge,
an die geteilte Mahlzeit
auf gesprungenem Porzellan,
an die kleinen Blicke, die den anderen suchen,
an den Seufzer, der auf Erwiderung wartet.
Sie hat sich verschenkt
an das Zittern der Stimme, die den Geliebten ruft,
an den honiggelben Morgen,
der uns Verzeihen lehrt,
und an die leise Geste, die nichts verspricht,
als dass wir hier, an den Schwellen, die wir fürchten,
einander Zuflucht sind.
Ein Lidschlag ist diese Liebe
und alle Herrlichkeit liegt darin.“[ii]
Diese Liebe, sie ist uns ewig zugesagt. Nicht billig, nicht oberflächlich, sondern wie sie uns vorhin in der Lesung verkündet wurde: da hat Einer für uns unsere Leere, unsere Wüsten durchquert, unsere Langeweile, unseren Hunger nach Leben ausgehalten, das Kreuz getragen und ertragen, uns durchgetragen durch alle Versuchungen, durch Schmerz und Verletztheit, durch jeden Mangel und jeden Verlust,
letztlich durch den Tod.
Christus hat uns durch sein Leben und Sterben einen GOTT offenbart, „der niemanden verlässt, der nicht verurteilt und verwirft, selbst dann nicht, wenn er selbst verlassen, verurteilt und verworfen wird, sondern bis ans Ende liebt“ (Frère Emmanuel, Taizé), über jegliches Ende hinaus.
Auch wenn unsere Wege vielleicht wenig von Radikalität tragen, sind sie doch ein Zusammenholen von unzähligen Schritten, die wir gesetzt haben - um der Liebe willen.
War sie nicht der Motor in all den Jahren, die uns zum Aufbruch befähigten, zu Neubeginn, zu Verzicht und Zurücknahme. War sie nicht die Quelle unsagbaren Glücks und Freude?
Sie ist diese große Kraft, aus der wir leben dürfen, nach so vielen Jahren und auch an einem Neubeginn.
Dann und wann ist unsere Herzenshaut dünn, Gott sei Dank, weil diese Stunden uns zeigen, wie sehr wir ihn brauchten und brauchen, IHN, unseren Herrn.
Das hohe Alter unserer Gemeinschaft, das auch an Ihnen sichtbar wird, liebe Jubilarinnen, lehrt uns den weisen Weg, dass nicht wir die Macherinnen unseres Lebens sein müssen, dass wir nicht die Starken und Unverbrüchlichen zu sein haben, sondern dass menschliches Leben so zerbrechlich ist - in aller Stärke.
Die hl. Katharina von Siena hat es in dem uns vertrauten Gebet einzigartig ausgedrückt:
„Du, Licht, achtest nicht auf meine Finsternis; du, Leben, ließest dich von meinem Tod nicht abhalten, noch schreckte dich, Arzt, meine Gebrechlichkeit, dich, ewige Reinheit...
Dreifaltigkeit, abgründiges Meer, je tiefer ich mich in dich versenke, desto inniger finde ich dich, und je inniger ich dich finde, desto tiefer suche ich dich.“
Diese Erfahrung wirst Du, liebe Kathrin, auch kennen auf Deinem Weg des Suchens, der niemals abgeschlossen sein wird: „Je inniger ich dich finde, desto tiefer suche ich dich.“
Auch so ein Wort, finde ich, das das Herz aufatmen lässt und zeigt: unser Leben hier auf Erden bleibt immer Weg, ist niemals Ziel. Unsere schwesterlichen Beziehungen sind Weg, niemals Ziel.
Ein anderes Wort von der hl. Katharina, liebe Kathrin, kann Dir hoffentlich Wegweisung sein:
„Sei, wie Gott dich gewollt hat, und du wirst die Welt in Brand setzen.“
„Sei, wie GOTT die gewollt hat…“
Dies sei Dir Kompass: Du bist bereit, Dich ganz in die Schule nehmen zu lassen, Dich führen zu lassen, im Vertrauen, Deiner Sehnsucht Raum geben, neu werden zu dürfen, wie es Paulus uns zuruft:
„In Christus seid ihr eine neue Schöpfung.“
Das alte Leben ist nicht abgelegt. Es vertieft sich, und der Name, mit dem gerufen werden möchtest, trägt jene Kraft in sich, die Dich bewegt, wohin Du wachsen möchtest.
Dein Name heißt:
die Reine, die Klare, die Aufrichtige.
Wir hoffen sehr, Dir den Freiraum geben zu dürfen, der Dich wachsen lässt in großer Verbundenheit mit der Gemeinschaft:
„Sei, wie GOTT Dich gewollt hat!“
Möge Dich Deine tiefe Beziehung zu Ihm erfüllen und Dir schenken, was Deine unverlierbare Würde, Deine innerste Schönheit stärkt, so, wie wir vorhin im Psalm 45 gesungen haben: „Der König verlangt nach Deiner Schönheit.“
Liebe Jubilarinnen, liebe Kathrin,
wir feiern das Geburtsfest von Maria:
der Kuchen ist bereits gebacken, das Fest kann beginnen! An Maria können wir ablesen, was es heißt, rein, klar und aufrichtig zu leben, und wie das Wort der hl. Katharina sich verwirklicht: „Sei, wie Gott dich gewollt hat
und du wirst die Welt in Brand setzen.“ Maria war, wie GOTT sie gewollt hat.
Ich, wir wünschen Ihnen und Dir, Kathrin, das innere Feuer des Hl. Geistes, wir wünschen Ihnen eine lodernde Freude, eine lebendige Dankbarkeit für das Vergangene, eine lebendige Dankbarkeit, die Ihr Leben schön macht.
Ihnen einen fröhlichen, stärkenden Festtag, an dem wir vor allem auch die Treue GOTTES feiern.