Wenn existentielle Nöte ganz nahe kommen...

Ein Blick nach Bolivien

Es fällt uns zunehmend schwerer, mit all den Einschränkungen, die uns Covid 19 setzt, umzugehen, und wir merken mehr denn je, mit welcher Freiheit wir uns vor Wochen noch bewegen konnten. Bewegen durften. Begegnungen gehören zu unserem Alltag wie Essen und Schlafen, wir sind angewiesen auf menschliche Nähe, auf buchstäblich gefühlte Augenblicke. Darum wiegt der momentane Zustand der Distanzhaltung so schwer. Gefühle werden wach, die sich bei den täglichen Ablenkungen kaum bemerkbar machen, Beklemmungen tropfen durch die Haut bis ins Herz. Da sind Ängste um die Zukunft, Sorgen um geliebte Menschen, denn Besuche sind weitgehend verboten. 

Die Decke über unseren Köpfen wird von Tag zu Tag dünner. Da ist Leere. Verunsicherung. Mangel. Auch Ohnmacht. Zuweilen auch Langeweile.

Das Leben ist ein anderes geworden und wird ein anderes nach der Krise sein.

Und doch: wir haben noch keine Ausgangssperren, und wenn auch die Lieblingsprodukte da und dort fehlen und Regale leer bleiben, hungern müssen wir nicht.

 

Was mich und unsere Gemeinschaft zutiefst schmerzlich trifft und mich weinen lässt, ist eine aktuelle Nachricht aus Bolivien: Schwester Rosa Maria berichtet, dass sich letzte Woche ein 12-jähriges Mädchen das Leben genommen hat, weil es als älteste Tochter seine jüngeren Geschwister bereits Tage hungern sah – es wollte die Familie durch seinen Tod entlasten. Schlimm. So schlimm! 

 

Diese Wirklichkeit macht völlig ohnmächtig und hilflos.

Wie können wir helfen? Wie unterstützen?

Es ist so: unzählige Menschen in Bolivien haben kein festes Einkommen, sie leben vom Tageslohn. Durch Corona sind die üppigen Märkte zu. Kein Verkauf. Kein Einkauf.

Unsere Schwestern versuchen, sogar mit Unterstützung der Polizei, an Lebensmittel zu kommen; es wird gemeinschaftlich in den Barrios gekocht, und das Essen wird in die entlegenen Hütten gebracht. Groß ist - und es macht mich demütig - wie diese wunderbaren, von existentieller Armut geprägten Menschen teilen, was sie haben, und sie finden einfache Wege trotz des Militärs, das kontrollierend Patrouille fährt, das Essen zu verschenken.

 

Wer die Arbeit unserer Mitschwestern in Bolivien unterstützen möchte, kann dies neuerdings auf unkomplizierte Weise über unseren "Bolivien-Moneypool" tun - wir sorgen dafür, dass jeder Euro bei den hilfsbedürftigen Menschen landet. Dankbar sind wir auch für jedes unterstützende Gebet in einer Situation, die so viele Betroffene und Helfer an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führt. 

Sr. M. Scholastika 

 

Ein Gebet aus Bolivien:

Lehre GOTT,

uns ins Unmögliche zu werfen,

denn hinter dem Unmöglichen

ist deine Gnade und Gegenwart.

Wir können nicht ins Leere fallen.

 

Die Zukunft ist ein Rätsel,

unser Weg verliert sich im Nebel,

aber wir wollen ihn gehen und uns hingeben,

weil Du wartest in der Nacht

mit tausend Menschenaugen, die von Tränen überlaufen.[1]

 

[1]Meyer, Michael, Vellguth, Klaus (Hrsg.), Gebete der Völker. Gebete aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Ozeanien, Sank Ottilien 2013