Ansprache zur Postulatsaufnahme von Kathrin Schäfer am Gedenktag des Hl. Franz von Sales
"HERR UND GOTT, da bin ich.
Nichts als ich. Vor dir.
Ich bringe nichts mit als mich selbst.
Nichts als mich selbst.
Was wird nun geschehen mit mir,
vor dir?
Geschieht etwas?
Die anderen sind auch da.
Jeder hat sich mitgebracht. Sich selbst.
Das genügt schon an Last.
Da sind wir also da vor dir.
Soviel jeder kann, ist er da.
Was noch nicht da ist
von uns selber,
das holen wir noch herein. Wir holen uns,
so gut wir können,
herein zu dir.
Wo du doch da bist.
HERR UND GOTT, nichts als du.
Gut, Herr,
wir sind zusammengeholt, hereingeholt,
von draußen herein gesammelt,
in deine alles hereinholende,
alles in sich sammelnde GEGENWART."
(Silja Walter)
„Gott hat mich mir selbst genommen, um mich ihm zu geben, und dann gab er mich an die Menschen zurück. Das heißt, er wandelte mich von dem, was ich für mich selbst war, zu dem um, was ich für andere sein sollte.“
Diese Worte, liebe Kathrin, die der hl. Franz von Sales kurz vor seiner Bischofsweihe betete, holen gut den heutigen Startpunkt ins Ordensleben ein, das Du für Dich als Deine Bestimmung erkennst.
Du weißt Dich von GOTT berührt, von IHM gerufen, von IHM geführt. Seine Liebe gibt Dir die Kraft, das Kostbare der letzten Jahre zurücklassen, Dich neu einzulassen auf den Weg, auf dem Du Deine tiefe, innerste Berufung entdeckst, auf die Du nun konkret und mit Deinem ganzen Leben antworten willst. Das ist Großes:
Antworten mit dem eigenen Leben. Nicht mit dem, was man so übrig hat, sondern mit allem, was Dich ausmacht. Mit Haut und Haar. Was der hl. Franz beschreibt, ist ein immerwährende Kreislauf: ich lasse mich mir nehmen - das ist wunderbar ausgedrückt. Ich überlasse mich diesem GOTT, von dem ich weiß und glaube, dass Er die Fülle des Lebens bereithält, dass Er Liebe ist, und dass Seine Führung in die Freiheit führt. Ich lasse mich mir nehmen, ich lasse es zu, erlaube ihm, dass er mich nehmen darf, um mich ihm zu geben, und er gibt mich an die Menschen zurück. Er wandelt mich von dem, was ich für mich selbst war, zu dem, was ich für andere sein sollte.
Wir sind nicht die, die den Weg wissen müssen, nicht diejenigen, die ihre Baustellen genau kennen sollten und dann selber entscheiden müssen, woran gearbeitet wird in den nächsten Jahren. In einem Gespräch in den letzten Tagen habe ich Dir ein Zitat wiederholt von Simone Weil, das wir in der Morgenlesung gehört haben:
„Der Held trägt eine Rüstung, der Heilige geht nackt.“
Alles darf sein, alles darf vor GOTT sein, Er ist es, der wandelt, der stärkt und immer die Fülle bringt, auch und gerade am Kreuz. In der Leere. In der Nacktheit. Das „Für-mich-selber“ wird aufgebrochen in ein „Leben-für-alle“. Das macht Gemeinschaft aus: im Tagesgebet hörten wir heute, dass der hl. Franz allen alles wurde. Das ist unsere Berufung.
Und die Gebete des heuten Tages zeigen uns beeindruckend, welche Frucht diese Wandlung des bloß Eigenen in ein Für-Andere bewirken kann. Wir beten am heutigen Tag, dass die Menschenfreundlichkeit GOTTES durch uns sichtbar wird und dass jene Güte, die den heiligen Franz so liebenswert gemacht hat, auch in uns wachsen kann.
Liebe Kathrin,
Du hast den heutigen Tag für die Postulatsaufnahme in den Blick genommen, vielleicht weil der hl. Franz Patron der Journalisten und Schriftsteller ist. Seine Predigten ließ er auf Blätter drucken, die er überall dort befestigte, wo Menschen lebten, arbeiteten und unterwegs waren, da der Bevölkerung unter Androhung von Strafen jeglicher Kontakt mit dem charismatischen Priester verboten war: mit einfachen, zu Herzen gehenden Worten erreichte er die Menschen*. Er war kein Heiliger, der mühelos durchs Leben ging.
Obwohl er von Natur aus eher aufbrausend war, bemühte er sich, allen Angriffen gegen ihn mit Sanftmut, Güte und Liebe zu entgegnen.
„Die Zeit damals war geprägt von den Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Calvinisten. Die Calvinisten glaubten, das ewige Leben oder die ewige Verdammnis eines Menschen seien von Geburt an von Gott bestimmt. Die Katholiken waren überzeugt, dass für einen Christen Werke der Nächstenliebe entscheidend seien.
Franz stürzte durch diese unterschiedlichen Auffassungen in eine schwere Glaubenskrise. Diese überwand er nach Jahren intensiven Betens und dem Studium der heiligen Schriften. Sein Glaube an die Liebe und Gnade Gottes war nun durch nichts mehr zu erschüttern.“*
In seinem bekanntesten Werk „Philothea. Anleitung zum frommen Leben“ gibt er die Weisung:
„Erwäge die ewige Liebe, die Gott uns erwiesen hat. Gott liebte dich; wann begann er dich zu lieben? Als er begann, Gott zu sein, d. h. da er immer war, ohne Beginn und Ende, hat er dich immer und ewig mit grenzenloser Liebe geliebt. Von Ewigkeit hält er die Gnaden und Gunsterweise, die er dir gab, für dich bereit. Er sagt es durch den Propheten: „Ich habe dich geliebt (er spricht zu dir, als wärest du allein) mit ewiger Liebe; deshalb habe ich dich an mich gezogen.“
Liebe Kathrin,
mögest Du aus dieser vom Uranfang sprudelnden Quelle der Liebe GOTTES Tag für Tag trinken dürfen. Es ist uns eine Freude, Dich in unsere Gemeinschaft aufzunehmen, Dich kennenlernen zu dürfen und mit Dir unseren Auftrag der „heilenden Liebe“ zu leben. Dein Entschluss bleibt für uns ein neues Wunder und ein Geschenk des Himmels. Und wir hoffen, dass unsere Gemeinschaft Dir Ort des Wachsens und Entfaltens sein darf und Du Wandlung erfahren darfst, wo Dein Herz und Deine Seele sich danach sehnen.
Eine Aufgabe möchte ich Dir mitgeben, nein, keine Aufgabe, einen Rat, den Du wahrscheinlich kennst. Der hl. Franz hat ihn aufgeschrieben für uns:
„Wenn dein Herz wandert ...
bring es behutsam an seinen Ort zurück
und versetze es sanft
in die Gegenwart des Herrn.
Und selbst wenn du in deinem Leben
nichts getan hast,
außer dein Herz zurückzubringen
und wieder in die Gegenwart Gottes
zu versetzen,
obwohl es jedes Mal fortlief,
nachdem du es zurückgeholt hattest,
dann hast du dein Leben wohl erfüllt“.
Die Postulats- und Noviziatszeit ist eine nicht wiederkehrende Zeit, in der Du genau dieses Bleibende einüben darfst: Dein Herz immer wieder zurückzuholen und in die Gegenwart GOTTES zu versetzen. Wir können Dir kein Leben ohne Enttäuschungen und Entbehrungen versprechen, wir leben viel Alltäglichkeit, und auch das Böse bleibt nicht außerhalb unserer Klausur, aber es ist ein Leben mit Christus, das zutiefst glücklich macht, das uns eine Unruhe schenkt, die uns den Weg zeigt und uns ständig aufbrechen lässt. Es ist ein Leben der Liebe, die wir zu lernen und lernen und lernen haben.
Da sind wir also da vor dir.
Soviel jede kann, ist sie da.
Mit Dir.
Als Zeichen der Zugehörigkeit möchten wir Dir das Mantelwappen mitgeben, das uns daran erinnert, immer wieder neu zu beginnen, und dass wir noch zu einer viel größeren Gemeinschaft gehören dürfen, zur dominikanischen Familie. Und der hl. Franz fand Stärkung und Heilung durch das Meditieren der Hl. Schrift. Auch sie möchte ich Dir im Namen von uns Allen in die Hände legen.
Sr. M. Scholastika
*(zitiert aus https://www.katholisch.de/artikel/7688-patron-derjournalisten, Margret Nußbaum, 24.01.2020)