Was wäre, wenn...

Gestern Abend gegen halb zehn bekam ich via Facebook mit, dass in Berlin etwas Schreckliches passiert war. Um diese Uhrzeit wusste man nur, dass ein LKW in den Weihnachtsmarkt gefahren war und dass es ein bis neun Tote und viele Verletzte gab. In einem Statement sagte der Polizeisprecher von Berlin um diese Uhrzeit, man wisse noch nicht, ob es Bremsspuren gäbe. Kein Mensch wusste also, ob die Tat vorsätzlich erfolgt war oder ein schrecklicher Unfall war.

Trotzdem wurde auf Facebook schon reichlich kommentiert und gepostet: "Merkel muss weg!", "Das haben wir jetzt davon.", "Alle abschieben!" und Schlimmeres war da zu lesen, was ich gar nicht wiederholen möchte.

Diese Kommentare und Posts entfachten in meinem Kopf ein kleines Gedankenspiel, befeuert auch durch das Interview mit Wolfgang Bahro, der in Hochhuths "Gasherd und Klistiere oder Die Urgroßmutter der Diätköchin" Adolf Hitler gespielt hatte. In diesem Stück wird die Diätköchin Adolf Hitlers von ihm entlassen, weil sie Achteljüdin ist. Das heißt, ihre Urgroßmutter war Jüdin.

Dieses Gedankenspiel ließ mich fragen, wohin denn alles gehen sollte, wenn die Forderungen derer, die bereits vor der Polizei wissen, wer der oder die Täter waren, erfüllt würden. Müssten dann alle Ausländer Deutschland verlassen? Würden "Achtelausländer" ihre Arbeit verlieren? Wie würde unser Alltag dann aussehen, z.B. hier im Vincenzhaus, wo Menschen aus verschiedenen Kulturen miteinander arbeiten und leben? Wer wäre dann noch hier?

Und dabei sind laut "IFAK - Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe - Migrationsarbeit" 60 Prozent der jungen Menschen, die sich radikalisieren und in den Dschihad ziehen oder Anschläge verüben wollen, Konvertiten. Also keine Menschen mit Migrationshintergrund, keine Ausländer. Sollen sie das Land auch verlassen? Und wer kann sagen, was in wem vorgeht?

Nein, das kann ja nicht funktionieren. Und so funktioniert auch ein freiheitlicher und demokratischer Staat nicht, in dem zuerst die Unschuldsvermutung gilt. Stattdessen sollten wir uns an das halten, was der Berliner Bischof Markus Dröge heute Abend in der Berliner Gedächtniskirche sagte: "Wir geben dem Terror nicht dadurch Recht, dass wir uns entzweien lassen. Wir lassen uns nicht zur Unmenschlichkeit verführen."

Lassen wir uns doch nicht zum Hass und zur Unmenschlichkeit verführen, sondern beten wir für die Opfer und ihre Angehörigen, hier bei uns und überall auf der Welt, wo Menschen Krieg, Hass und Gewalt zum Opfer fallen. Und bereiten wir uns so auf Weihnachten vor.

Sr. Kerstin-Marie

Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Silvia (Mittwoch, 21 Dezember 2016 12:41)

    Vielen Dank für diesen Beitrag, dem ist nichts hinzuzufügen.

  • #2

    Sarah (Mittwoch, 21 Dezember 2016 23:40)

    Auch von mir vielen Dank für diese wertvollen und wichtigen Worte. Es tut gut sie zu hören!

  • #3

    Julia (Sonntag, 25 Dezember 2016 21:29)

    Liebe Sr. Kerstin da haben sie genau die richtigen Worte gefunden.